Die letzte Sprechstunde

Dr. Heinze war die letzten Wochen für die Ärzte für die Dritte Welt – German Doctors im Krankenhaus in Buda im Einsatz. Viel hat er erlebt und viel hat er davon berichtet. Heute berichtet er über seinen letzten Arbeitstag in Buda.

Sprechstunde

„Freitags ist in der Ambulanz meistens etwas weniger los. Am Dienstag und Donnerstag kommen die Päppelkinder, da ist am meisten zu tun. Montags muss – genau wie in Hamburg – das doktorlose Wochenende kompensiert werden und Mittwoch ist mal so, mal so. Heute war ein typischer Freitag. Ambulanz ohne größere Herausforderungen, nur eine Aufnahme, ein Junge mit Typhus. sein Onkel liegt schon bei uns mit der gleichen Diagnose.

Pausen gab es trotzdem keine, denn ich musste nach dem Baby sehen, das wir um 0 Uhr  mit Neugeborenensepsis aufgenommen hatten. Es war 17 Tage alt und halbtot bei Ankunft, aber mit Sauerstoff und Wärme und Infusion und zwei Antibiotika wurde es wieder rosig und begann, sich zu regen. Und dann entstand diese merkwürdige Situation, in der alles getan ist und in der es nun am Kind liegt, wie es weitergeht. Ich stand alle 30-60 Minuten im vollbelegten Fünfbettzimmer vor dem Inkubator und schaute Anariza beim Atmen zu. Das ging immer schwerer, und die Sauerstoffsättigung sank stetig, dafür stieg das Fieber. Um halb vier starb Anariza, die Reanimationsversuche blieben vergeblich. Als wir mit unseren Reanimationssachen das Zimmer verließen, standen alle Eltern im Zimmer von ihren Betten auf und scharten sich um das tote Mädchen auf dem Arm seiner Mutter. Einige weinten mit, aber alle sprachen der Mutter Trost zu und boten Hilfe an.

Die Mitarbeiter aus Buda

Die Party am Nachmittag (abends ging nicht, alle wollen in das Wochenende) blieb von dem Ereignis ungetrübt, so ist es halt. Es war kurz und laut, ich habe nicht alles verstanden, aber alle haben sich gefreut und “When will you come back?” gefragt. Es gab wie üblich unheimlich viel zu essen – alle haben Reserveportionen in ihren Tupperschalen mitgenommen. Auf ein schönes Wochenende und “Goodbye and Salamat”. Dann war es vorbei.

Und nun sitze ich im fast geräumten Zimmer, den fast gepackten Koffer zu meinen Füßen und schreibe meinen letzten Bericht.
Im Retrospektoskop, so ist es immer, schaue ich auf eine kurze Zeit. Eine lehr- und abwechslungsreiche und oft merkwürdige Zeit. Wundersam und schön war es. Ob ich wiederkomme? Ich weiß es noch nicht. Sicher nicht im nächsten Jahr. Und was danach kommt, wird danach entschieden. Lust habe ich.“