ein Arzt bei der Untersuchung

Herr Dr. Metz berichtet zum letzten Mal von seinem Einsatz in unserem Projekt in Buda/ Philippinen.

 

05.07. 2010

Wir hatten gerade Abendbrot gegessen, da klopft es an die Tür. Mea, eine der philippinischen Angestellten, lädt uns in das Staffhaus ein. Morgen wird sie 23 Jahre alt und fährt dann nach Hause. Deshalb feiert sie heute.

06.07. 2010

Nachdem gestern am Montag sehr viel Ambulanzbetrieb war, bin ich heute mit meinen Patienten schon am frühen Nachmittag fertig. Wir haben zwei Patienten mit Denguefieber, bei denen die Menschen an hohem Fieber, Hautausschlag sowie Kopf- und Gliederschmerzen leiden, nach Davao verlegt. Unsere Patienten haben bisher Glück gehabt.

Den ganzen Nachmittag hat es geschüttet. Unser Fluss hat seinen höchsten Stand erreicht. Es fehlt noch ein knapper Meter bis zur Türstufe. Mal schauen, was die Nacht noch bringt.

07.07. 2010

Das Wasser stieg über Nacht nicht weiter. Jetzt am Morgen scheint die Sonne. Mein Nachfolger ist um Mitternacht gut angekommen, da der Highway vom Regen nicht weggeschwemmt worden war. Der Arbeitstag ließ sich zunächst ruhig an, die ersten Patienten hatte ich erst um 10.00 Uhr. Dann kam es leider noch einmal ganz heftig. Nicht die Anzahl der Patienten war belastend, sondern die Erkrankungen.

im Krankenhaus

Der letzte Patient beansprucht uns noch einmal alle. Seine Erkrankung ist nicht unmittelbar lebensbedrohlich, aber die Untersuchung war aufwendig. Der Vater findet kein Ende beim Berichten. Mehrfach versuche ich etwas mitzubekommen. Es stellt sich schließlich heraus, dass das Kind früher schon bei uns gewesen war. Die alte Patientenkarte ist jedoch verloren. Im Alter von vier Monaten war eine Schwellung am Fußrücken aufgetreten, so dass wir das Kind nach Valencia weiter geschickt hatten. Die Eltern waren dann aber nach Davao gegangen, wo mehrere Vorstellungen bis hin zur Biopsie erfolgten, deren Ergebnis den Eltern aber nicht vorlag. Jetzt wurde die Empfehlung zur Amputation des Fußes ausgesprochen. Seit dem ersten Befund sind 1 1/2Jahre vergangen, in denen über Zuständigkeiten und Kostenübernahmen gestritten wurde. Wenn von staatlicher Seite Kosten übernommen werden, sollen die Eingriffe auch in dem zuständigen Wohnbezirk durchgeführt werden. Zum Schluss hatte sich der Großvater gegen die Amputation gesträubt. Dies ist nachvollziehbar, da eine rechtzeitige OP bei uns den Fuß erhalten hätte. Jetzt erkundigen wir uns erst einmal, ob ein orthopädisch ausgerichtetes Team von Interplast ich um den Fall kümmern kann. Bei Interplast arbeiten Spezialisten, die schwerpunktmäßig für ein bis zwei Wochen in unterversorgten Gebieten Patienten ihres Fachgebietes kostenlos behandeln, dass heißt meist operieren.

Zwischen all diesen schlimmen Fällen sitzen immer wieder Eltern mit gesunden Kindern vor uns. Sie wollen oft nur den Doktor sehen und bestätigt haben, dass sie ein gesundes und schönes Kind haben.

im Krankenhaus

Der ganze Tag fasst aber auch die Schwierigkeiten zusammen, mit denen wir zurechtkommen müssen. Dazu gehören die grundlegende Unkenntnis vieler Eltern oder Patienten von medizinischen oder auch nur gesundheitlichen Belangen, aber auch das Unvermögen, Gefahren für die Gesundheit rechtzeitig zu erkennen. Das ständige Gerangel um Zuständigkeiten im Gesundheitswesen. Das Feilschen um Kosten und Kostenübernahmen.

Nach so einem Tag weiß ich nicht, welche Emotionen überwiegen: Erschrecken, Wut, Ungläubigkeit, Trauer? Von allem etwas, aber nicht zu wenig! Es ist nur auszuhalten, wenn man versucht, vieles auf Abstand zu halten, was nicht immer gelingt. Helfen kann ich nur, wenn mein Blick auf den einzelnen Menschen, den einen Patienten, gerichtet bleibt. Ein Systemveränderer bin ich sicher nicht.

08.07. 2010

Heute ist mein letzter Arbeitstag. Zum gemeinsamen Mittagessen werden mir Abschiedslieder gesungen. Eine in vieler Hinsicht schöne Zeit geht zu Ende. Die immer wieder gestellte Frage nach einem Wiedersehen muss ich zunächst unbeantwortet lassen. Dafür ist es noch zu früh, jetzt steht anderes an. Bratkartoffeln und ein Bier zum Abendessen, dann wird der Koffer gepackt.“