Dr. med. Ditmar Kaufmann, Arzt für Allgemeinmedizin, berichtet über seinen Einsatz für die Ärzte für die Dritte Welt auf Mindanao. Ärzte für die Dritte Welt sind seit 1985 in dieser Region aktiv. Ständig sind auf Mindanao zehn deutsche Ärztinnen und Ärzte im Einsatz, darunter immer auch ein Zahnarzt. Von 1985 bis Ende 2009 haben 1049 deutsche Ärztinnen und Ärzte 1447 unentgeltliche Einsätze in unserem Mindanao-Projekt gemacht.
„Vor wenigen Jahren arbeitete ich für die Ärzte für die Dritte Welt auf der philippinischen Südinsel Mindanao. Während man normalerweise mit einer Rolling Clinic unterwegs ist, das heißt, mit Geländewagen über die Dörfer fährt, um dort Sprechstunden abzuhalten, war ich in einem neuen Gebiet in der Nachbarprovinz Agusan del Sur eingeteilt. Damals erschlossen sich die Ärzte für die Dritte Welt diese Region, so dass heute keine Bootsfahrten mehr unternommen werden.
Ich wusste, dass ich der zweite deutsche Arzt in diesem abgelegenen Gebiet sein würde und machte mir viele Notizen für meine Nachfolger und zeichnete sogar eine Skizze des Flusssystems mit seinen Dörfern.
Unser Team fuhr jeden Tag mit einem Boot los, um die Dörfer zu erreichen, in denen wir angekündigt waren. Es war brütend heiß, so kühlte wenigstens der Fahrwind etwas. Bei der Sprechstunde kam es vor, dass zwei kleine Mädchen mir Luft zufächerten, da sie merkten, wie sehr ich unter der Hitze litt. Wir waren in einem Dorf bei einem Pfarrer untergebracht und fuhren von dort jeden Tag mit dem Boot los. Bei der Sprechstunde saßen die Menschen in einem Halbkreis von circa drei Meter Durchmesser um mich herum. Meist hatte ich um die 100 Patienten, an einem Tag waren es 160 Menschen!
Da die früher hier existierenden Urwälder abgeholzt waren, kommt es häufiger zu Überschwemmungen innerhalb weniger Stunden. Deshalb sind die Hütten entweder auf circa drei Meter hohen Baumstämmen errichtet oder sie sind als Flösse konstruiert, so dass sie sich bei Überschwemmung mit dem Wasserstand anheben. Zum Teil arbeiten die Menschen noch in der Holzfällerbranche oder sie leben von dem, was sie selbst anbauen. Da die letzte Reisernte schlecht ausgefallen war, aßen sie nur noch zwei Mal anstatt drei Mal täglich.
Abends auf der Heimfahrt sah ich oft Flughunde am Himmel fliegen, die ich zuerst für einen Entenschwarm hielt. Flughunde sind große Fledermäuse, auf Englisch werden sie flying foxes genannt.
Ich erinnere mich an ein eine Woche altes Baby, das mir in die Sprechstunde gebracht wurde. Es war das siebte Kind der Mutter. Die Nabelschnur war mit einem schmutzigen Bambusmesser durchschnitten worden und der Nabel hatte sich infiziert. Zu meinem Erschrecken hatte das Kind Neugeborenentetanus, also Wundstarrkrampf mit hohem Fieber und Muskelkrämpfen. Ich schickte die Mutter zum nächsten Gesundheitszentrum, nach dem ich eine Infusion angelegt und Fieberzäpfchen gegeben hatte. Sie kam aber am gleichen Tag zu mir zurück, da die philippinische Ärztin verreist war. Also musste ich Antibiotika geben und das Kind neben meiner Sprechstunde überwachen. Am Abend begleitete ich die Mutter und das Baby zu dem Gesundheitszentrum, wo es die Nacht über von Schwestern versorgt wurde und ließ Medikamente da. Als ich am nächsten Abend von meinem Einsatz zurückkam, sagten mir die Schwestern, dass die Mutter das Baby mit nach Hause genommen habe, da dort ihre anderen Kinder versorgt werden mussten und sie das Geld für die Behandlung im Gesundheitszentrum nicht hatte. Ich nehme an, dass das Baby zu Hause verstorben ist.
Ich wurde nachdenklich: In Deutschland wäre so ein Kind mit dem Hubschrauber in die nächste Uni-Kinderklinik geflogen worden und hätte eine echte Chance gehabt, zu überleben. Aber hier in diesem abgelegenen Teil der Welt standen seine Chancen schlecht, auch wenn ich alles getan hatte, was mir in dieser Situation möglich war.“
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