Unser Einsatz für die Seenotrettung im Mittelmeer
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„Bei der letzten Mission waren 25 Menschen in einem behandlungswürdigen oder sogar kritischen Zustand. Ein achtjähriger Junge war nicht mehr ansprechbar. Ihn und alle anderen Patientinnen und Patienten konnten wir im Bordhospital stabilisieren. Ein junger Mann musste aufgrund eines schweren Herzleidens durch die italienische Küstenwache von der „Sea-Eye 4“ evakuiert werden. Bedrückend ist, dass die meisten Menschen zudem deutliche Symptome schwerer Traumatisierung zeigen – auch viele der Kinder.“
Dr. Stefan Mees (✝)
Einsatzarzt der German Doctors auf der „Sea-Eye 4“
Unsere Arbeit kurz erklärt
In diesem kurzen Erklärvideo erfahren Sie am Beispiel von Frau Dr. Schäfer, wie die Arbeit der German Doctors funktioniert.
Fragen und Antworten zum Projekt
Warum engagieren sich die German Doctors in der zivilen Seenotrettung?
Als medizinische Hilfsorganisation sehen wir in der Rettung von Flüchtenden aus Seenot ein Gebot der Menschlichkeit. Wir sind fest davon überzeugt, dass jedem Menschen geholfen werden muss, der auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung und Perspektivlosigkeit auf dem Mittelmeer in Lebensgefahr geraten ist – ungeachtet seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder sonstigen Unterscheidungsmerkmalen. Der feste Glaube an den Wert jedes einzelnen Menschen und die Überzeugung, dass jede Hilfe, die wir einem Menschen in Not leisten, ihren eigenen Wert hat, tragen seit mehr als 35 Jahren unsere Vereinsarbeit. Unser Engagement in der zivilen Seenotrettung ist eine folgerichtige Erweiterung unseres Hilfsangebotes in einigen Ländern des globalen Südens und in Griechenland.
Wer ist Kooperationspartner der German Doctors bei der zivilen Seenotrettung?
In allen unseren Projekten arbeiten wir mit (lokalen) Partnerorganisationen zusammen. Bei der zivilen Seenotrettung heißt unser Partner: Sea-Eye e. V. Der Verein mit Sitz in Regensburg, hat sich im Jahr 2015 zur Rettung von in Seenot geratenen, meist geflüchteten Menschen im Mittelmeer gegründet. Mit dem Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ sucht die Crew vor der libyschen Küste nach Bootsflüchtlingen, rettet sie, versorgt sie medizinisch und bringt sie in Sicherheit. Mehr als 1.000 ehrenamtliche, wechselnde Crewmitglieder haben im Namen des Vereins „Sea-Eye“ bislang in mehr als 70 Missionen rund 15.000 Leben gerettet (Stand April 2021).
Weitere Infos zu unserem Kooperationspartner Sea-Eye.
Welche Aufgaben haben die ehrenamtlichen German Doctors an Bord der „Sea-Eye 4“?
Unsere ehrenamtlichen Einsatzärztinnen und -ärzte leisten erste medizinische Hilfe, nachdem die Flüchtenden an Bord genommen wurden. Nach oft mehreren Tagen auf dem Mittelmeer leiden viele von ihnen an Unterkühlung, Flüssigkeitsmangel und Entkräftung. Auch Verletzungen, Verätzungen und Reaktionen auf Benzindämpfe sind häufig. Unbehandelte chronische Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck oder auch Schwangerschaftsprobleme sind ebenfalls Indikationen, bei denen unsere German Doctors an Bord helfen. Da viele Gerettete durch das Erleben in ihren Heimatländern und/oder auf der Flucht traumatisiert sind, ist bei unseren Doctors, wie bei allen anderen Crewmitgliedern viel Einfühlungsvermögen, ein hohes Maß an Sensibilität und interkultureller Kompetenz gefragt. Die Geretteten erzählen von Gewalt und Misshandlungen, die sie durch Milizen, Schlepper und andere bewaffneten Gruppen erlitten haben. Unsere Ärztinnen und Ärzte sehen Spuren von Folter und Gewalt, wie etwa Stich-, Brand- und Schusswunden. Auch Knochenbrüche als Folge von Misshandlungen diagnostizieren und behandeln sie. Frauen berichten von Vergewaltigungen. Die menschliche Zuwendung ist für viele der an Bord Genommenen also immens wichtig; vielleicht sogar wichtiger als die medizinische Erstversorgung. Gelegentlich versuchen sich Flüchtende an Bord von Rettungsschiffen zu suizidieren. Selbstmordversuchen vorzubeugen ist also auch eine wichtige Aufgabe unserer Einsatzärztinnen und -ärzte. Kommt es an Bord zu einer medizinischen Notfallsituation – das kann eine komplizierte Geburt sein, ein Herzinfarkt oder eine Verletzung, die einer Operation bedarf – kann die Crew einen Rettungshubschrauber anfordern. Übrigens sind neben unseren Einsatzärztinnen und -ärzten immer auch Rettungssanitäter oder anders medizinisch geschulte Personen an Bord der „Sea-Eye 4“. Das ist wichtig und vor allem dann hilfreich, wenn auf einmal mehr als hundert Personen aufgenommen und erstversorgt werden müssen.
Wie viele Crewmitglieder sind an Bord des „Sea-Eye 4“?
Die Einsatzmannschaften der "Sea-Eye 4“ bestehen aus ehrenamtlichen Crewmitgliedern (Search and rescue crew) und professionellen Seeleuten zur Schiffsführung (Maritime crew). Zwischen 20 und 25 couragierte Personen mit sehr verschiedenen Fähigkeiten aus unterschiedlichen Ländern setzen sich bei jeder Mission für das Wohl der Geflüchteten ein. Unterstützt wird jede Mission von vielen Ehrenamtlichen an Land. Sie führen vielfältige Aktionen durch und machen dabei auf die Rettungsaktivitäten von Sea-Eye aufmerksam, informieren, sammeln Spenden und gewinnen weitere Unterstützer für die humanitäre Hilfsarbeit. Ganz ähnlich, wie auch die German Doctors von vielen engagierten und einfallsreichen Menschen unterstützt werden – darunter auch viele unserer ehrenamtlichen Einsatzärztinnen und -ärzte.
Wie viele Menschen hat der German Doctors-Kooperationspartner Sea-Eye bisher gerettet?
Seit Gründung des Vereins im Jahr 2015 haben mehr als 1.000 ehrenamtliche, wechselnde Crewmitglieder in bislang mehr als 85 Missionen mehr als 17.000 Leben gerettet (Stand April 2021).
Wie viele Menschen haben ihr Leben in den vergangenen Jahren im Mittelmeer gelassen?
Das Gute im Schlechten: Die Zahl der Ertrunkenen ist seit dem Jahr 2016 stetig gesunken. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor viele Frauen, Männer und Kinder im Mittelmeer ihr Leben verlieren. Waren es im Jahr 2016 noch mehr als 5.000 Menschen, starben oder verschwanden laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) 2017 rund 3.100 Geflüchtete. Im Jahr 2018 waren mehr als 2.200 Tote und Vermisste zu beklagen, und in 2019 fanden 1.327 Menschen den Tod bei der Flucht über das Mittelmeer oder sind vermisst. Im Jahr 2020 sind 1.166 Menschen gestorben oder als vermisst erklärt worden; von Januar bis Mai 2021 mindestens 616 Menschen. Obwohl sowohl die Zahl der Ankünfte der über das Mittelmeer Geflohenen seit 2016 deutlich gesunken ist (2016: 373.652 Menschen; 2017: 185.139 Menschen; 2018: 141.472 Menschen; 2019: 123.663 Menschen, 2020: 88.200) als auch die Zahl der Toten und Vermissten, bleibt der Fluchtweg über das Mittelmeer die tödlichste Seeroute der Welt. Kritische Stimmen sagen, dass die Gefahr für die Flüchtenden über die vergangenen Jahre sogar zugenommen hat, da die staatliche Seenotrettung zurückgefahren wurde und zum Beispiel Italien die zivile Seenotrettung eher behindert als unterstützt.
Werden die German Doctors auf die Schiffseinsätze anders vorbereitet als auf die Einsätze in den Ländern des globalen Südens?
Ja. Die Arbeit an Bord der Rettungsschiffe unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von den Einsätzen in unseren Projekten in Indien, Bangladesch, Kenia, Sierra Leone, und auf den Philippinen. Zwar haben die Flüchtenden auch Erkrankungen, die unsere Ärztinnen und Ärzte aus den anderen Projekten kennen – darunter typische Armutserkrankungen wie Malaria, Tuberkulose, Aids und Krätze – aber viel häufiger sind Krankheitsbilder, die unmittelbar durch die Flucht über das Meer auftreten bzw. Folge von gewaltsamen Übergriffen und Folter sind. Neben den körperlichen Beschwerden leiden viele Flüchtenden unter psychischen Problemen, einige sind schwer traumatisiert. Auf die besondere Situation auf See sowie die spezifischen Krankheits- und Beschwerdebilder der Geflüchtete bereiten wir unsere Einsatzärztinnen und -ärzte in enger Kooperation mit Sea-Eye in einer speziellen Arbeitsgruppe vor. Mit dabei sind immer auch seenotrettungs-erfahrene Personen. Sie können am authentischsten von den besonderen Herausforderungen eines Einsatzes auf den Rettungsschiffen berichten. Nicht verschweigen wollen wir, dass sowohl die physische als auch die psychische Belastung bei den Rettungseinsätzen für alle Crewmitglieder sehr hoch sind und nicht jeder German Doctor, der an Land hervorragende Arbeit leistet für den Einsatz auf einem der beiden Sea-Eye-Schiffe geeignet ist.
Ist Seenotrettung nicht eigentlich eine staatliche Aufgabe?
Ja und nein. Tatsächlich gibt es bei der Rettung von Menschen in Seenot zwei verantwortliche Akteure:
- den Staat, der die Rettung koordiniert, und
- das Schiff, das die Rettung der in Seenot Befindlichen vornimmt.
Das Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) schreibt dazu: „Welcher Staat für die Koordination einer Rettungsaktion nach Eingang eines Notsignals verantwortlich ist, richtet sich danach, in wessen sogenannter „search and rescue zone“ sich das in Seenot geratene Schiff oder Boot befindet. Diese Zone wird vom Küstenstaat in Absprache mit seinen Anrainerstaaten definiert und der International Maritime Organisation gemeldet. Es soll sichergestellt werden, dass keine Gebiete auf dem Meer entstehen, für die kein Land zuständig ist. Das betreffende Land hat die Aufgabe durch seine Leitstelle die Seenotrettung zu koordinieren, so dass die Schiffe, die am schnellsten zum Ort der Seenot vordringen können und die Kapazitäten für die Aufnahme von Schiffbrüchigen haben, zum Notfall dirigiert werden können. Die so identifizierten Schiffe bzw. ihre Kapitäne sind für die Durchführung der Seenotrettung verantwortlich, indem sie in Seenot befindliche Menschen an Bord nehmen oder mit anderen Maßnahmen aus der Notlage befreien. Dabei ist es für diese Verpflichtung egal, ob es sich um ein staatliches Schiff, ein Schiff einer NGO oder um ein zu kommerziellen Zwecken betriebenes, privates Schiff handelt.“
Grundsätzlich hat der Kapitän eines jeden Schiffes, das in der Lage ist, Hilfe zu leisten und sich in der Nähe des verunglückten Schiffes oder Bootes befindet, die Verpflichtung, die in Seenot befindliche Menschen zu retten. Seit die Europäische Union ihre marinen Rettungsmissionen eingestellt hat, sind zivile Seenotrettungsorganisationen wie der Sea-Eye e.V. aber die einzigen Akteure, die aktuell das Sterben auf dem Mittelmeer einzudämmen versuchen.
Engagieren sich einzelne Staaten oder die EU überhaupt noch in der Seenotrettung?
Von staatlicher Seite wurden die operativen Kapazitäten zur Seenotrettung binnen der vergangenen Jahre deutlich geschmälert. Die italienische Marinemission „Mare Nostrum“ (2013 – 2014) hatte noch die vorrangige Aufgabe, Menschen aus Seenot zu retten. Die von der EU getragenen, nachfolgenden Operationen „Triton“ und „Sophia“ zielten zunehmend auf die Bekämpfung von Schleppern und unerlaubte Einreisen ab. So war die „EUNAVFOR MED Operation Sophia“ (bis März 2020) seit März 2019 nur noch auf Luftaufklärung ausgelegt. Schiffe waren im Namen der Mission gar nicht mehr unterwegs. Private Rettungsorganisationen wie Sea-Eye versuchen die entstandene Lücke zu füllen – und tun das. Zehntausenden Menschen haben sie bereits das Leben gerettet.
Unterstützen die Rettungsaktionen von Nichtregierungsorganisationen wie dem Sea-Eye e.V. nicht die Aktivitäten der Schlepper?
Der Vorwurf, zivile Seenotretter erzeugten sogenannte „Pull-“ oder Anziehungseffekte wird immer wieder erhoben. Es ist aber nicht das Wissen um die kreuzenden Rettungsschiffe, welches die Menschen zur verzweifelten Flucht über die Mittelmeerroute bewegt. Deutlich wurde dies in einem Zeitraum, in dem im zentralen Mittelmeer u.a. wegen der beginnenden Corona-Pandemie kein Rettungsschiff unterwegs war (Mai - Juni 2020): Wissend, dass alle Rettungsschiffe in Häfen festlagen, traten trotzdem rund 6.000 Flüchtende die gefährliche Reise Richtung Europa an. „Push-Effekte“, also jene Faktoren, die die Menschen zum Verlassen ihrer Heimat bewegen – Verfolgung, Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Perspektivlosigkeit – sind erwiesenermaßen die Hauptursachen für Flucht- und Migrationsbewegungen. Ob Rettungsschiffe auf dem Meer kreuzen oder nicht, entscheidet letztlich „nur“ darüber, wie hoch die Überlebenschancen der Flüchtenden sind. Die Wahrheit ist: Zehntausende Menschen verdanken der zivilen Seenotrettung ihr Leben. Organisationen wie Sea-Eye schließen eine Lücke, die die europäischen Staaten nicht zu schließen gewillt scheinen.
Den oft gegen zivile Rettungsakteure erhobenen Vorwurf des „Pull-Effekts“ entkräften inzwischen sogar wissenschaftliche Untersuchungen:
University of London et al. (Charles Heller/Lorenzo Pezzani): Blaming the Rescuers
Oxford University et al. (Elias Steinhilper/Rob Gruiters): Border Deaths in the Mediterranean
Doctors without Borders Operational Research Unit LuxOr: Humanitarian NGOs conducting Search and Rescue Operations at Sea: A “pull factor”?
Peace Research Institute Oslo: "Preventing the Work of Rescue Vessels in the Mediterranean Will Not Save More Migrants"
Warum wagen Menschen überhaupt die gefährliche Flucht über das Mittelmeer?
Die Antworten der Geretteten auf die Frage, warum sie geflohen sind, ähneln sich. „Ich habe keinen anderen Ausweg gesehen“, ist dabei eine der häufigsten Aussagen. Die Menschen fliehen vor Krieg, Gewalt, Verfolgung, Armut und Perspektivlosigkeit. Eine legale Einwanderung nach Europa aus den typischen Herkunftsländern – diese liegen in Afrika, Asien und dem Nahen Osten – ist nahezu unmöglich. Zunehmend restriktiv ist die Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union, und das steigert die Risikobereitschaft der Flüchtenden. Wir müssen davon ausgehen, dass, solange die Europäische Union weniger den Ursachen für Flucht- und Migrationsbewegungen entgegenwirkt als deren Auswirkungen – z.B. durch die Bekämpfung der Schleppernetzwerke, höheren Militäreinsatz und verschärften Grenzschutz –, weiterhin viele verzweifelte Menschen in seeuntüchtige Boote steigen, ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren und es dort schlimmstenfalls verlieren.
Warum gibt es so viele minderjährige Flüchtende?
Die Gründe, warum sich Minderjährige auf den Weg nach Europa machen oder von ihren Familien auf die gefährliche Reise geschickt werden, hängen von den Rahmenbedingungen in ihren jeweiligen Herkunftsländern ab. Die häufigsten „Push-Faktoren“ sind wirtschaftliche Gründe bzw. Perspektivlosigkeit, bewaffnete Konflikte, die Gefahr, als Kindersoldat rekrutiert zu werden, Gewalt im familiären Umfeld, drohende Zwangsheirat, drohende Zwangsbeschneidung oder Genitalverstümmelung und die Gefahr, Opfer von Kinder- bzw. Menschenhandel zu werden. Der auf den jungen Geflüchteten lastende Druck ist oftmals sehr groß, vor allem, wenn sie von den Familien nach Europa geschickt werden, mit der Erwartungshaltung, dass sie dort schnell Fuß fassen, Geld verdienen und die Angehören zuhause finanziell unterstützen oder ebenfalls nach Europa holen können. Viele Minderjährige sind diesem Druck nicht gewachsen. Insbesondere, wenn der Weg in das vermeintlich bessere Leben jäh in einem Auffanglager oder, mangels adäquater Einrichtungen, vorübergehend in einem Gefängnis endet. Das ist die bittere Realität für viele minderjährige Geflüchtete in Griechenland.
Wohin bringen Sea-Eye und German Doctors die Geflüchteten und wie läuft das normalerweise ab?
Sea-Eye bringt die Menschen mit ihren Schiffen an einen sogenannten „Place of Safety“, also an einen sicheren Ort. So verlangt es auch das Völkerrecht: Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, müssen an einen Ort gebracht werden, an dem ihnen kein Leid mehr droht und sie mit Nahrung, Obdach und ärztlicher Fürsorge versorgt werden können. Als europäische Rettungskräfte können wir Menschen nur nach Europa bringen, weil das der einzige Ort ist von dem wir mit Überzeugung sagen können, dass die Menschen dort sicher sind.
In den Medien ist häufig die Rede davon, dass Flüchtende zurück nach Libyen gebracht werden. Ist das wahr?
Im Juni 2018 wurde Libyen ein Seegebiet als sogenannte „search and rescue zone“ zugewiesen, in dem es nun für die Koordinierung der Such- und Rettungsaktionen verantwortlich ist. Bis dahin wurde die Aufgabe durch die Seenotrettungsleitstelle in Rom übernommen. Lybien als instabiler Staat ist jedoch gar nicht in der Lage, diese Aufgabe adäquat auszuführen. Derzeit lässt sich beobachten, dass die libysche Küstenwache Menschen, denen die Flucht aus Libyen geglückt ist, immer häufiger sogar aus internationalen Gewässern ins Konfliktgebiet zurückbringt. Offiziell heißen diese Operationen „Rettungsaktionen“. Tatsächlich werden die Flüchtlinge aber nicht, wie es das internationale Seerecht für die Seenotrettung verlangt, an einen sicheren Ort gebracht. Für viele endet die Odyssee in einem der berüchtigten libyschen Internierungslager entlang der Küste, wo ihnen Folter, Vergewaltigung und Ermordung drohen. In die Auffanglader haben UN-Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR oder die UN-Migrationsagentur IOM nur einen eingeschränkten Zugang. Auch fehlt es an einer formellen Registrierung der Gefangenen. Die Menschen in den Lagern haben keine Möglichkeit, ihre Inhaftierung juristisch überprüfen zu lassen. Es ist nicht nachvollziehbar, was mit ihnen geschieht. Diese Menschenrechtsverstöße beobachten wir mit größter Sorge.
Lässt sich die Route der Schiffe online verfolgen?
Ja, die Position der „Sea-Eye 4“ können Interessierte fast in Echtzeit verfolgen – auf dem Online-Portal „Marine Traffic“.
Wie finanzieren German Doctors die Einsätze auf den Schiffen von Sea-Eye bzw. fehlt das Geld dann nicht in den anderen Projekten?
Die im Vergleich zu den anderen Projekten eher geringen Kosten für die Einsätze werden aus zweckgebundenen Spenden, d.h. aus Mitteln, die uns genau für diese Arbeit anvertraut wurden, und nur bei darüber hinaus gehenden Kosten aus dem freien Spendenaufkommen finanziert. Für uns ist die medizinische Versorgung der Menschen auf der Sea-Eye ein genauso wichtiges Anliegen wie die basismedizinische Hilfe in unseren anderen weltweiten Projekten. Daher steht die Unterstützung der Seenotrettung auch nicht in einem Entweder-Oder-Verhältnis zu unserer Arbeit in Kenia, Sierra Leone, Indien, Bangladesch und auf den Philippinen, sondern stellt die logische Konsequenz unseres humanitären Ansatzes dar. Wir freuen uns über viele Unterstützerinnen und Unterstützer, die es uns ermöglichen, unsere Projektarbeit zum Wohle notleidender Menschen auszubauen.