Auch das Jahr 2022 hatte es wahrlich in sich und stellte uns als weltweit agierende medizinische Hilfsorganisation vor sehr große Herausforderungen: Anfang des Jahres waren noch immer keine Entsendungen von ehrenamtlichen Ärztinnen und -ärzte in unsere asiatischen Projekte möglich. Von vielen Partnern und Mitarbeitenden verschiedener Projektstandorte hörten wir von stark steigenden Infektionszahlen – auch in Deutschland waren die Inzidenzen aufgrund der Omikron-Variante des Coronavirus so hoch wie nie zuvor. Dann startete Russland am 24. Februar die Invasion in die Ukraine. Ohne zu zögern beschlossen wir, den Ukrainerinnen und Ukrainern zu helfen und stellen seither dringend benötigte Hilfsgüter, Medikamente und Unterkünfte für die Flüchtlinge zur Verfügung. Diese beiden Krisen und deren Folgen beschäftigen uns seither bei unserer Arbeit Tag für Tag. Schöne Momente und Erfolge, die uns stolz machen, sind die geglückten Eröffnungen neuer Projekte an verschiedenen Orten.
Wir lassen das Jahr 2022 noch einmal in Bildern mit all seinen Herausforderungen und den Lichtblicken Revue passieren:
Anfang des Jahres bereitete uns die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden massiven Probleme für unsere Patientinnen und Patienten große Sorgen. Die Lebenssituation in unseren weltweiten Projekten hat sich seit Ausbruch der Pandemie dramatisch verschlechtert: Viele Menschen, die zuvor am Existenzminimum lebten, sind seither vom Hunger bedroht.
Zusätzlich zu unserer normalen medizinischen Arbeit leisteten wir seit Ausbruch der Pandemie Nothilfe in noch nie dagewesenem Umfang: Wir haben seither schätzungsweise 431.800 Menschen unter die Arme gegriffen und dringend benötigte Nahrungsmittel ausgegeben, Ernährungsprogramme ausgeweitet sowie Hygieneartikel wie Seife und Desinfektionsmittel verteilt.
Zudem meldeten uns unsere Mitarbeitenden und Partnern aus Indien und von den Philippinen, dass die Infektionszahlen dort wieder stark anstiegen. Das öffentliche Leben wurde massiv eingeschränkt. Folglich mussten wir die Einsätze nach Asien, die wir für das erste Quartal geplant hatten, erneut absagen. Die einheimischen Teams und Langzeitärzte blieben bei einem anhaltend hohen Patientenaufkommen auf sich allein gestellt.
Eine freudige Nachricht Anfang des Jahres war der Beginn unserer Zusammenarbeit mit unserem Partner Salem Brotherhood Uganda im Kolonyi Hospital in Uganda. Wir entsenden seither ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachbereiche, die vor Ort die einheimischen Fachkräfte weiterbilden und unterstützen. Die Bandbreite der Fachrichtungen ist groß: Bislang waren Ärztinnen und Ärzte der Innere Medizin, Chirurgie, Pädiatrie, Gynäkologie, eine Expertin für Ultraschallmedizin sowie eine Apothekerin in Uganda. Diese Klinikpartnerschaft ist kein einseitiger Austausch. 2023 werden medizinische Fachkräfte des Kolonyi Hospital nach Deutschland reisen, um sich hier an Kliniken weiterzubilden.
Ein weiterer wichtiger Fokus des neuen Projekts ist die Bekämpfung von Unterernährung bei Kindern unter fünf Jahren. Diese Altersgruppe wird verstärkt untersucht und die Eltern werden über Mangelernährung aufgeklärt. Unterernährte Kleinkinder und Babys werden in einem Ernährungsprogramm aufgepäppelt. Außerdem werden die Eltern, vor allem Mütter, unterrichtet, wie sie Gemüse für ihre Kinder anbauen können, um für eine gesunde Ernährung ihrer Familie zu sorgen, und bekommen Saatgut gestellt.
Nothilfemaßnahmen setzen wir zusammen mit Partnern um, die mit der Situation in der Ukraine vertraut sind. Seither haben wir wichtige Verbandsmaterialien, Medikamente und medizinische Geräte finanziert. Wir helfen Menschen mit Lebensmittelpaketen, die vor Ort geblieben sind, und unterstützen die Unterbringung von Flüchtlingen in Notunterkünften insbesondere für die vielen Frauen und Kinder, die ihr Land verlassen mussten und alles verloren haben. Als assoziiertes Mitglied des Bündnisses Entwicklung Hilft können wir für diese Nothilfe auf die dort eingegangenen Spendengelder zurückgreifen.
Im Februar konnte Heike Lunau als Langzeitärztin auf die philippinische Insel Samar in unser neues Rolling Clinic-Projekt reisen. Ab März waren dann auch Entsendungen unserer Kurzzeitärztinnen und -ärzte nach Indien möglich.
Seit dem späten Frühjahr hörten wir verstärkt und aus allen unseren Projekten, wie sehr sich die Lebenssituation der Menschen weiter verschlechterte: Der Krieg und die damit einhergehende Verteuerung von lebenswichtigen Gütern treffen arme Menschen besonders hart. Und so intensivierten wir erneut unsere Unterstützungshilfe an allen Standorten.
Im Juli konnten dann endlich auch Kurzeitärztinnen und -ärzte nach 2,5 Jahren Zwangspause auf die Philippinen und nach Bangladesch reisen. Das erleichtert die Arbeit der einheimischen Teams und des Langzeitarztes Gerhard Steinmaier und erfreut die German Doctors: So viele waren über die letzten zwei Jahre immer wieder bereit gewesen, sich auf das Wagnis eines Einsatzes unter Corona-Bedingungen einzulassen, wurden aber auch oft enttäuscht, weil wir – z. T. kurzfristig – aufgrund von Einreisebeschränkungen wieder absagen mussten. Endlich konnte es auch in diesen Projektregionen wieder losgehen!
In der Heimat kehrte mehr und mehr Normalität ein. Der Paderborner Osterlauf am Osterwochenende im April war der erste unserer beiden Laufevents, bei denen wir Charity Partner sind, der wieder stattfand. Im Oktober folgte dann der Kassel Marathon. In Summe kamen 26.000 Euro an Spenden durch die beiden Laufevents zusammen.
Schwangerschaften bei Jugendlichen sind während des Corona-Lockdowns in Kenia immens angestiegen, nicht selten aufgrund von mangelnder Aufklärung und fehlendem Zugang zu Verhütungsmitteln und verschärft durch sexualisierte Gewalt. In unserem Einzugsgebiet in den Armenvierteln Mathare und Korogocho in Nairobi ist die Zahl der schwangeren Minderjährigen und jungen Frauen besonders hoch. Daher haben wir ein neues Aufklärungs- und Unterstützungsprojekt begonnen. Seit Beginn sind 184 junge Mütter und Schwangere in das Projekt aufgenommen worden. Im Jahr 2022 haben wir 70 Schwangere beraten und unterstützt.
Im März hatten wir das Forum wegen der Pandemie noch einmal verlegt. Am ersten September-Wochenende konnte unser Ärzte-Treffen dann endlich wieder in Präsenz stattfinden. Zu der Veranstaltung kamen 93 Einsatzärztinnen und -ärzte nach Köln.
Für die Menschen, die neben Nairobis größter Müllkippe im Korogocho-Slum leben, ist unsere medizinische Sprechstunde die einzige Chance auf einen Arztbesuch. Entzündete Wunden, Atemwegsinfekte und Unterernährung sind genauso wie chronische Erkrankungen dringende Probleme hier.
Wir kommen einmal im Monat mit einem großen Team in den Slum und bieten eine offene Sprechstunde an. Doch dieses Angebot reicht bei weitem nicht aus! Daher planen wir im nächsten Frühjahr hier eine weitere Slumambulanz in Zusammenarbeit mit der Ayiera Initiative zu eröffnen. Möglich wird dies u.a. dank der Unterstützung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die die Hälfte des Erlöses ihrer diesjährigen Weihnachtsspendenaktion an uns geben wird.
Kennen Sie den German Doctors Nairobi FC? Das ist eine neue Fußballmannschaft bestehend aus Mitarbeitenden unserer Slumambulanz Baraka in Nairobi. Im Herbst fand ein Charitymatch gegen die Mannschaft eines befreundeten Krankenhauses statt. Bei dem Sportevent wurden Spendengelder gesammelt und so konnten 14.000 Kapseln eines wichtigen Medikaments namens Hydroxyurea für Sichelzellerkrankte erworben werden. Weiter so FC!
Im Herbst wurde unser pädiatrisches Ausbildungsprogramm in Sierra Leone staatlich anerkannt. Dies bedeutet, dass die Studierenden nach Durchlaufen der 5-jährigen Ausbildung einen Bachelor of Science in Clinical Medicine in Händen halten werden. Das ist immens wichtig für das Renommee dieser Ausbildung und die Jobchancen der Absolventinnen und Absolventen, aber auch für die angestrebte Übergabe des Programms an den Staat. 16 Studierende sind zurzeit eingeschrieben. Der erste Jahrgang wird die Ausbildung 2024 mit dem praktischen Jahr abschließen.