




Kampf gegen die Naturgewalten
„Sundarbans“ – schöner Wald nennen die Bengalen die ausgedehnten Sümpfe im Mündungsdelta der Flüsse Ganges, Brahmaputra und Meghna. Mit mehr als 10.000 Quadratkilometern sind die Sundarbans das größte Mangrovengebiet der Erde und befinden sich auf dem Staatsgebiet von Indien und Bangladesch. Gemeinsam mit Korallenriffen und Regenwäldern zählen Mangroven zu den wertvollsten Ökosystemen der Welt.
Doch für die Menschen, die dort zu Hause sind, ist das Leben ein ständiger Kampf gegen die Naturgewalten. Regelmäßig fegen heftige Stürme von der See her. Im ganzen Delta steigt das Wasser an und wenn die Deiche brechen, werden unzählige Behausungen – meist mit Stroh oder Wellblech gedeckte Lehmhütten – überflutet. Die Felder sind danach durch das Salzwasser oft für Jahre unfruchtbar.
Mit der Rolling Clinic ins Sundarban-Delta
In den Sundarbans ist Armut allgegenwärtig. Eine abgeschlossene Schulausbildung haben nur die wenigsten und die geringen Einkünfte der Tagelöhner reichen gerade so zum Leben. Kinderheirat, häusliche Gewalt, Drogen- und Alkoholabhängigkeiten sind weit verbreitet. Besonders schwer haben es Menschen aus muslimischen Gemeinden und aus traditionellen Dhalit Gemeinschaften, die strukturell benachteiligt sind und häufig unterdrückt werden.
Seit August 2020 engagieren wir uns gemeinsam mit der indischen NGO ASHA dafür, die Lebensbedingungen und die Gesundheit der Menschen vor Ort zu verbessern. Eine Komponente unserer Hilfe ist die „Rolling Clinic“: Lokale Ärztinnen und Ärzte fahren in einem festen Rhythmus vier Standorte an und versorgen die Menschen von insgesamt 40 abgelegenen Dörfer im Distrikt North 24-Paraganas basismedizinisch. Durchschnittlich 68 Patientinnen und Patienten kommen täglich zur Sprechstunde.

Endlich ein Arzt!
Das Angebot wird dankend angenommen, denn die medizinische Versorgung in der Region ist denkbar schlecht. Weil Ärzte ungern in einer solch abgelegenen Gegend arbeiten, fehlt es an gut ausgebildetem Personal. Und wenn es eine Gesundheitsstation in der Nähe gibt, ist diese meist hoffnungslos überfüllt. Der Weg zum nächsten Krankenhaus ist wiederum weit und mit dem Ausfall des Tageslohns verbunden. Die Folgen: Krankheiten werden oft zu spät oder falsch behandelt. Hohe Medikamentenkosten und falsche Informationen treiben viele Menschen in die Hände von Quacksalbern. Auch Mythen sind allgegenwärtig.
Eine wichtige Säule des Projektes ist daher die Gesundheitsaufklärung. Auch über Familienplanung und Verhütung schult das Team vorwiegend die Frauen, denn mangelnde Aufklärung ist häufig ein Grund für frühe Mutterschaft. Fast die Hälfte der Frauen werden noch vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet und mit der Geburt des ersten Kindes sind die jungen Frauen gezwungen, die Schule abzubrechen. Ein Weg aus der Armut ist für sie besonders schwierig.

„Mythen sind allgegenwärtig. Viele Menschen glauben, dass ein Unterleibsschmerz durch den Geist „Dschinn“ geheilt werden kann. Die Patientinnen werden in das Haus einer Person gebracht, von der man glaubt, dass sie den Dschinn mitten in der Nacht einlädt. 200 bis 600 indische Rupien kostet die „Operation“, die allerdings keine Heilung bringt. Für einen Krankenhausbesuch ist es dann oft schon fast zu spät. Auch Menschen mit Schlangenbissen oder neurologischen Problemen werden häufig in ein Hexenzentrum gebracht.“
Sanjeev Kr Singh
Projektmanager von ASHA
Investition in die Zukunft: Ausbildung
Um langfristig diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung in der Region zu etablieren, unterstützen wir ASHA auch bei der Ausbildung von sogenannten „Community Health Volunteers“. Die Gesundheitskräfte, meist engagierte Frauen aus den Gemeinden, erhalten über drei Monate hinweg eine 15-tägige Ausbildung. Dabei lernen sie Erste Hilfe zu leisten, einfache Diagnosen zu stellen, Krankheiten zu behandeln sowie bei Bedarf die Patientinnen und Patienten ins nächstgelegene Krankenhaus zu überweisen. Die praktische Ausbildung erfolgt im Rahmen der „Rolling Clinic“. 60 Gesundheitskräfte haben bereits erfolgreich ihre Ausbildung abgeschlossen.

Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe
Mittlerweile gibt es verschiedene staatliche Angebote zu Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, doch häufig wissen die bedürftigen Menschen zu wenig darüber. Oft fehlen ihnen auch wichtige staatliche Dokumente, etwa der Ausweis, die Geburtsurkunde oder ein Bankkonto. Die Beantragung dieser Dokumente ist ein erster Schritt, um die eigene Lebenssituation Schritt für Schritt zu verbessern. Die gute Nachricht: Unser Programm wird auch von der Lokalregierung unterstützt, deren Vertreter regelmäßig zu den „Help Desks“ kommen, um bei der Beschaffung der Dokumente zu helfen.
Für eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheit und Lebenssituation in der Region werden durch unseren Partner zudem regelmäßig Schulungen angeboten. Die Themen decken unter anderem Abfall-Management, Familienplanung, Menstruationshygiene, sexuelle und reproduktive Gesundheit und gesunde Ernährung ab. Für ASHA ist es ein wichtiges Ziel, Menschen zu befähigen, ihre Rechte auf Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse und ihre Grundrechte einzufordern. Wir freuen uns, an ihrer Seite zu sein!
Mit 20 Euro helfen
In Entwicklungsländern werden jedes Jahr 80 Millionen Frauen ungewollt schwanger. In Kalkutta bieten wir unseren Patientinnen daher Zugang zu Aufklärung und freiwilliger Familienplanung. 20€ sind notwendig, um einer Frau Verhütungsmittel zur Verfügung zu stellen und sie ein Jahr lang in ihrer Familienplanung zu unterstützen.

Das Projekt im Überblick
- „Rolling Clinic“ mit indischen Ärztinnen und Ärzten zur basismedizinischen Versorgung für 40 Dörfer in den Blocks Minakhan, Basirat II, Hasnabad und Sandeshkhali I.
- Help Desks“ für die Beantragung von staatlichen Dokumenten.
- Ausbildung von Gesundheitskräften (Community Health Volunteers).
- Awareness-Veranstaltungen zu gesundheitsbezogenen Themen.
- Advocacy-Arbeit für eine nachhaltig bessere Gesundheits-Infrastruktur in der Region.
Partnerorganisation Asha
Mit der indischen NGO ASHA mit Sitz in Minakhan, North 24 Parganas, arbeiten wir seit 2019 zusammen. Schwerpunkt der Organisation ist Kindesschutz, Bekämpfung von Menschenhandel, Gesundheitsvorsorge und -versorgung. ASHA verfolgt einen rechtsbasierten Ansatz unter starker Einbeziehung der marginalisierten Zielgruppen.
Projekte entdecken
Die German Doctors leisten ehrenamtlich Arzteinsätze in Entwicklungsländern und helfen dort, wo das Elend zum Alltag gehört. In städtischen Slums und ländlichen Armutsregionen auf den Philippinen, in Indien, Bangladesch, Kenia und im Bereich der Flüchtlingshilfe bieten unsere Ärztinnen und Ärzte Sprechstunden für Menschen am Rande der Gesellschaft an. Die eingesetzten Mediziner arbeiten in ihrem Jahresurlaub oder im Ruhestand für einen Zeitraum von 6 Wochen und verzichten dabei auf jegliche Vergütung.