Als Arzt im Katastrophengebiet
„Eines vorneweg: Es geht mir gut. In der Hauptstadt der Insel, wo ich stationiert bin, ist alles glimpflich abgelaufen. Es gab Stromausfall, aber ansonsten sind die Menschen mit dem Schrecken davon gekommen. Dagegen hatte der Norden Cebus weniger Glück: Er wurde vom Taifun schwer getroffen, über 90% der Häuser wurden zerstört. Die Auswirkungen des Taifuns sind im Norden des Landes anders als auf Leyte, da dort aufgrund des einströmenden Wassers die Zerstörungskraft des Taifuns noch größer war und zudem so viele Tote zu beklagen sind. Dennoch hat der Taifun auch hier seine deutlichen Spuren hinterlassen.
Statt Geburtstagsessen [Frau Gerding hatte Geburtstag] haben wir am Freitag nach der Morgensprechstunde im Slum – die Patienten müssen schließlich weiter versorgt werden – Großeinkauf gemacht und anschließend 500 Lebensmittelpakete gepackt. Mit drei Lieferwagen vollbepackt mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten wurde Freitag um vier Uhr früh aufgebrochen. Ziel war eine kleine Insel im Norden, die vorher medizinisch noch nicht versorgt war. Unterwegs bot sich das Bild völliger Zerstörung: Kaum ein Haus steht noch vollständig, sogar Schulen und Kirchen sind zusammengestürzt, umgestürzte Bäume und Strommasten, um Lebensmittel bettelnde Menschen an den Straßen. Dennoch herrscht trotz allem keine totale Verzweiflung, philippinische Gelassenheit und Gemeinschaftlichkeit prägen die Stimmung. Überall wird aufgeräumt. Konvois mit Material und Lebensmittel sind unterwegs und Hilfsorganisationen sind teilweise am Werk. Auf "unserer" Insel wurden wir mit viel Hallo begrüßt. Die Lebensmittelverteilung war sehr gut organisiert und diszipliniert. Samstagnachmittag und Sonntagmorgen wurden von uns jede Menge Patienten untersucht und behandelt, jedoch glücklicherweise niemand, der ernsthaft krank oder verletzt war. Was für ein Kontrast: Eine idyllische Insel fernab des Tourismus, blauer Himmel, klares Meer und im Gegensatz dazu umgestürzte Hütten, kaputte Bäume, Armut und immer wieder das philippinische Lachen. Unser Team ist jung, die Stimmung war die ganze Zeit gut, so dass unsere Hilfsaktion auch ein bisschen was von einem Betriebsausflug hatte. Dank unserer Koordinatorin Rina Jacalan war alles perfekt organisiert, so dass die Hilfe auch wirklich angekommen ist. Das ist das eigentliche Geburtstagsgeschenk für mich – etwas tun zu können. Einige meiner Freunde und Bekannten haben gefragt, wie man selbst helfen kann. Ganz einfach, Spende an die German Doctors, geht auch Online – und kommt an:
http://www.german-doctors.de/de/taifun-haiyan-lp.html
Heute dann wieder zurück zum Alltag, Sprechstunde im Slum. Im urbanen Milieu ist das Elend größer als auf dem Land, auch ohne Taifun… Traurige Realität.“
Ihre Dr. Sigrid Gerding aus Cebu