Eine sinnvolle Mischung

Ein Bericht von Einsatzarzt Dr. Stefan Neuhauser aus Nairobi

Viele Patienten warten bereits vor der Ambulanz in Baraka

Wenn wir meistens fünf German Doctors morgens nach kurzer Fahrt unseren Arbeitsplatz in den Slums von Baraka erreichen, dann warten schon mehrere hundert Patienten auf uns. Wir sehen und behandeln in der Regel täglich zusammen mit unserer Langzeitärztin ca. 300 Patienten. Hinzu kommen unsere „Chroniker“, Spezialsprechstunden,  wiederbestellte Patienten etc.  An meinem zweiten Arbeitstag in Nairobi, Kenia hatte ich jedoch besonders viel zu tun. Nicht nur die große Zahl von 56 Patienten überraschte mich. Ich sah eine Vielzahl von neu entdeckten Fällen von Malaria, HIV und Tuberkulose. Besonders in Erinnerung bleibt mireine Familie mit Krätze (Scabies), was nicht nur wegen der räumlich und ärmlich beengten Verhältnisse im Slum, wo mehrere Hunderttausend Menschen zusammen gepfercht leben müssen, schwierig nachhaltig zu therapieren ist, sondern die Mutter von vielen kleinen Kindern war gleichzeitig HIV positiv getestet worden !

Mithilfe der einheimischen Mitarbeiter läuft der Betrieb in der Ambulanz

Gleichzeitig musste ein Kind mit über 40 C und Gastroenteritis infundiert  und stabilisiert werden. Da ich im Einsatz als Notfallmediziner – und leitender Notarzt in Deutschland – auch für unseren Emergency Room zuständig war, sah ich mir parallel hierzu ein Schulkind an, dass bewusstlos vom Lehrer nach einem Sturz in unsere Klinik herein getragen wurde. Nach neurologischer Untersuchuung und kurzer Beobachtung stellte sich glücklicherweise nur eine Gehirnerschütterung heraus. Im Notfallzimmer ist immer viel los. Es werden ständig insbesondere Säuglinge mit Fieber, Pneumonie infundiert, die zudem dehydriert sind. Falls Sprechstunde für Sichelzellanämie ist – es handelt sich hierbei um qualitativ verändertes HB als Sauerstoffträger –  sehen wir viele Kinder mit schweren Organkomplikationen und unerträglichen Schmerzen bei geringer Lebenserwartung, was für die Eltern, aber auch fürs Personal kaum auszuhalten ist.

Die Mischung macht´s

Ein Besuch in den Slums

Entscheidend für unsere qualifizierte Arbeit hier ist die sinnvolle Mischung aus Fachärzten wie Gynäkologen, Kinderärzten, Internisten, Chirurgen und Allgemeinmedizinern. Schon an der Rezeption – am Eingang – werden die Patienten gesichert, sog. 1. Triage. Daneben sorgen unser großes Team von einheimischen Mitarbeitern, die permanente Fortbildung, Besprechungen, Hausbesuche im Slum, unsere koordinierende Langzeitärztin usw. doch für gute Behandlungsergebnisse bei eingeschränkten Möglichkeiten und knappen Ressourcen. In steter Erinnerung bleiben wird mir ein mehrstündiger Hausbesuch im Elendsviertel mit unserer Sozialarbeiterin bei den Ärmsten der Armen. Wir wurden sofort in eine Baracke gebeten und äußerst gastfreundlich empfangen. Dies hat mich  zutiefst berührt.

Krankentransport mit dem Motorrad

Schwierig gestaltet sich jeweils eine notwendige Einweisung in ein Krankenhaus. Hierzu steht im Bedarfsfall unsere eigene Ambulanz vor der Tür. Nicht nur das geeignete Krankenhaus ist sorgfältig auszuwählen. Auch die Versicherung bzw. die Bezahlung der entstehenden Kostennotfalls unter zu Hilfenahme sämtlicher Verwandter sollte dann schnellstens geklärt sein. Oft scheitert jedoch der erforderliche stationäre Aufenthalt am fehlendem Geld. Falls es klappt, dann begleiten wir auch unsere Notfallpatienten im Bedarfsfall selbst. Auch der Transport schwerstkranker Patienten mit einem Motorrad  ist nicht ungewöhnlich. Bei dieser Patientin bestand zumindest bei uns in Deutschland eine absolute Notarztindikation. kompliziert sein kann auch die richtige Interpretation bzw. Deutung der Beschwerden unserer Patienten. Wir greifen zwar auf  erfahrene einheimische Dolmetscher, die auch medizinisch geschult sind, zurück. Jedoch müssen die Beschwerden unter lokalen, kulturellen, religiösen etc. Gegebenheiten interpretiert werden.

Die Kleinsten grüßen stets mit einem freundlichen „how are you“

Dies führt quasi immer zu einer Ganzkörperuntersuchung. Schwierig ist für uns auch, dass die meisten Patienten parallel zum Pharmazeuten, Chemistry, Krankenhaus, lokalem einheimischen Dr. und/oder Alternativheiler gehen, und z.B. schon unter Antibiotikatherapie stehen. Es werden nur zögerlich evtl. vorhandene Röntgenbilder, Laborergebnisse oder Medikamente aus der Tasche gezogen. Wir sind westliche Standards gewöhnt, müssen uns auch absichern, treffen hier aber auf ungewöhnlich Umstände. Wenn wir dann nach einem oft anstrengendem jedoch erfülltem Arbeitstag unsere Praxisräume verlassen, und die wenigen Kilometer bis zur Unterkunft zusammen zu Fuss durch den Slum laufen, werden wir freundlich begrüßt, quasi begleitet, und viele Kinder wollen dann die Hand schütteln und rufen „ how are you“. Ich habe immer das Gefühl, etwas sehr sinnvolles zu tun und beschäftige mich bereits mit der Planung für meinen nächsten Einsatz für die German Doctors