Ohne meine Tochter wäre ich tot

Diabetes im Slum: Auch in Kalkutta leiden Menschen an der Zuckerkrankheit

Langzeitarzt Dr. Tobias Vogt, der seit vielen Jahren in Indien arbeitet, verbringt viel Zeit mit seinen Patienten. Er führt zahlreiche Gespräche, versetzt sich in sie hinein und schreibt deren Geschichte auf, so dass auf dem Blog nun auch unsere Patienten ihr Schicksal schildern. Heute erzählt Rubia davon, wie sie mit ihrer Zuckerkrankheit umgeht und wie die German Doctors ihr dabei helfen:

Ich heiße Rubia und bin eine Frau vom Land. Wir wohnen weit weg von Kalkutta in einem Dorf und da fühle ich mich auch wohl. In der lauten Stadt könnte ich nicht leben. In die Stadt fahre ich nur zur Behandlung meiner Zuckerkrankheit. Die German Doctors haben mich einmal aus einer lebensgefährlichen Situation geholt – seitdem bleibe ich bei ihnen in Behandlung. Das Lustige ist: Sie verstehen meine Dorf-Mundart nicht. Selbst die bengalischen Krankenschwestern, die alle aus der Stadt kommen, haben Mühe, mich zu verstehen, und manchmal amüsieren sie sich alle. Ich lache dann einfach mit. Sie sind ja sonst eigentlich ganz nett.

Zuckerkrankheit in Indien

Rubia leidet an der Zuckerkrankheit

Einmal war ich wegen meiner Zuckerkrankheit schon fast tot. Ich hatte lange keine Medikamente mehr eingenommen. In unserer Familie läuft es manchmal ein bisschen chaotisch. Mein Mann kommt nur unregelmäßig nach Hause, ich weiß gar nicht genau, was er so macht. Meine Zuckerkrankheit interessiert ihn jedenfalls nicht. Und da sind noch meine beiden kleinen Töchter. Und einen guten Doktor und Insulin können wir uns nicht leisten. Aber nach ein paar Monaten ohne Diabetes-Medikamente habe ich es dann gemerkt: Ich war so schwach geworden, dass ich nicht mehr aus dem Bett heraus kam. Ich glaube, damals habe ich nur noch 20 Kg gewogen. Meine große Tochter war damals ganz stark, sie hat mich gepflegt, obwohl sie selber erst fünf Jahre alt ist, und sie hat auch alles daran gesetzt, dass ich auf einem Lastkarren zu den German Doctors gefahren wurde. Es war mein erster Besuch dort. Das erste Bild zeigt mich bei meiner ersten Vorstellung in der Ambulanz. Ich war zu diesem Zeitpunkt völlig am Ende. Meine kleine Tochter hat sogar den Ärzten noch Auskunft gegeben, weil ich schon nicht mehr sprechen konnte. Ja, sie ist clever. Aber die Monate, in denen sie mich gepflegt hat, sind auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen. Sie denkt und spricht schon wie eine halbe Erwachsene. Dabei müsste sie in diesem Alter doch ein Kind sein dürfen.

Ich glaube ich war ein komplizierter Fall für die Ärzte. Es gab jedenfalls furchtbar viele Blutabnahmen und dazu noch das Insulin und andere Medikamente. Es hat lange gedauert, bis ich wieder laufen konnte und nicht mehr aussah wie der Tod auf Urlaub. Jetzt geht es mir wieder gut. Ich habe erst bei den German Doctors gelernt, wie man das Insulin richtig spritzt. Und ich habe jetzt auch verstanden, dass es ohne regelmäßiges Insulin einfach nicht geht.

Zuckerkrankheit bekämpfen

Nach der Insulin-Behandlung geht es Rubia deutlich besser

Einmal kam der lange weiße Arzt zu mir und sagte: „Ihre beiden Töchter sind so außergewöhnlich begabt – in einem Internat könnten sie eine gute Ausbildung haben. Sind Sie interessiert?“ Das Erstaunliche war, dass bevor ich antworten konnte, meine große Tochter, die noch nie eine Schule von innen gesehen hat, sofort begeistert zugestimmt hat. Und die andere Tochter auch. Inzwischen sind sie in einem einfachen, aber guten kleinen Internat untergebracht, in dem noch 20 andere Kinder zur Schule gehen. Es geht Ihnen dort gut. Mein Mann und ich fahren auch regelmäßig dorthin. Diese Zuckerkrankheit ist schon eine echte Plage, ist wie ein Raubtier in meinem Leben. Aber ich glaube ich habe ein paar wichtige Dinge durch sie gelernt.